Wissenschaftsrat verabschiedet Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Geschlechterforschung in Deutschland

Verabschiedet am 07.07.23 | Die Geschlechterforschung als multi- und interdisziplinäres Forschungsfeld befasst sich mit allen Fragen des Geschlechts und der Geschlechterverhältnisse. In seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Forschungsfeldes in Deutschland spricht sich der Wissenschaftsrat unter anderem für eine stärkere Integration von Geschlechterperspektiven in Forschung und Lehre, für eine Intensivierung der fächer-, methoden- und einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit sowie für verlässliche institutionelle Strukturen aus.

Der Wissenschaftsrat erachtet die Geschlechterforschung als ein dynamisches und auch international zukunftsträchtiges Forschungsfeld mit großer Transferrelevanz. Die Geschlechterforschung greift auf alle Bereiche des Lebens aus, in denen Menschen miteinander und mit den von ihnen gestalteten Umwelten interagieren. Deswegen betrifft die Geschlechterforschung nahezu alle wissenschaftlichen Disziplinen. Sie hat sich inzwischen in vielen Fächern der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften etabliert und deckt ein breites thematisches Spektrum von der Grundlagen- bis zur anwendungsorientierten Forschung ab. Im internationalen Vergleich besteht allerdings Nachholbedarf, insbesondere in den technischen Disziplinen und der Medizin. Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine stärkere Integration von Geschlechterperspektiven in Forschung und Lehre aus.

Wie jede erfolgreiche Forschung bedarf auch die Geschlechterforschung verlässlicher institutioneller Strukturen. Diese sind erforderlich, um Wissen langfristig zu sichern, Kooperationen anzubahnen, jüngeren Forschenden Karriereperspektiven zu eröffnen und überhaupt institutionell ansprechbar zu sein. Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Auf- und Ausbau von Professuren mit einer Denomination in Geschlechterforschung gerade in Fächern, in denen sie bislang wenig vertreten ist, sowie eine auskömmliche Ausstattung der hochschulischen Einrichtungen der Geschlechterforschung. Die Zentren und Netzwerke an den Hochschulen nehmen ein dichtes Bündel wichtiger Funktionen wahr und sind für die institutionelle und wissenschaftliche Weiterentwicklung des Forschungsfeldes unverzichtbar.

Den Hochschulleitungen empfiehlt der Wissenschaftsrat, in ihren Profilbildungsstrategien und -prozessen das Forschungspotenzial der Geschlechterforschung stärker zu nutzen. Bislang nicht ausgeschöpftes Potenzial besteht insbesondere auch an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen (HAW/FH) – gerade außerhalb der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre – und bei außerhochschulischen Forschungseinrichtungen. Dem wichtigen interdisziplinären Anspruch gemäß bedarf es aus Sicht des Wissenschaftsrats einer Intensivierung der fächer-, methoden- und einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit, auch in der Kooperation zwischen Universitäten, HAW/FH und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen.

Darüber hinaus spricht der Wissenschaftsrat Empfehlungen etwa zu Studiengängen und Zertifikatsprogrammen, zur Forschungsförderung und zu Forschungsinfrastrukturen, aber auch zum Verhältnis zu verwandten Forschungsfeldern und zur Gleichstellungspolitik aus. Mit Sorge beobachtet er Diffamierungen und personenbezogene Angriffe auf Forschende und Studierende des Feldes und bekräftigt seine Empfehlungen zu deren Schutz durch die Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen.

Quelle: Wissenschaftsrat